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Thoralf Koß (BBS)
Irgendwie liebe ich es immer wieder, wenn sich der progressive Rock nicht jedes Mal neu zu erfinden versucht und einige vor Erhabenheit strotzende Musiker nichts Anderes mehr hinbekommen, als sich total ernst zu nehmen, ganz ähnlich wie manchmal auch ihre Fans. Um wie viel schöner ist es da doch, wenn ein Schlagzeug spielender Progmusiker mit Sinn für Humor ein Album veröffentlicht, das jede Menge offensichtliche Zitate von der Klassik bis zum Prog und auch so einige Pop-Ideen aufgreift und diese in ein eigenständiges Kunstwerk verwandelt. So als orientiere sich die Musik an einem Bild von Hieronymus Bosch, bei dem der Betrachter ganz genau hinschauen muss, um all die kleinen, so wundervoll versteckten Details zu erkennen.
Ganz ähnlich fühle ich mich beim Hören des neusten Albums unseres King Of Agogik, Hans Jörg Schmitz, der als „musikalischer Kleinkrimineller“ jede Menge Takte und Rhythmen ganz großer und kleinerer Musik-Helden auf seinem 2014er Album „Exlex Beats“ versteckt und dieses musikalische „Verbrechen“ auch gleich im Albumtitel zum Ausdruck bringt, vorausgesetzt der Hörer ist des Lateinischen und Englischen mächtig: „Gesetzlose Rhythmen“.
Ein Album, das mit King Crimson beginnt und den Beatles endet, ist natürlich schon dieser eigenartigen Kombination wegen recht fragwürdig. Besonders dann, wenn sich ein stümpernder Plagiatist daran vergreifen würde – nur genau diese Fragwürdigkeit gibt es beim königlichen Agogiker nicht, da er jeden eigenen und nachgespielten Ton auf dermaßen gekonnte Art und Weise miteinander verbindet, dass bereits nach dem ersten kompletten Hören von „Exlex Beats“ sich Neugier und Begeisterung breit machen. Neugier wegen des musikalischen „Ratespiels“ (Wonach klingt denn das schon wieder?) und Begeisterung wegen des Gesamtkunstwerks (Ist das etwa ein Konzept-Album?), welches trotz der 88 „Diebstähle“ wie aus einem progressiven Guss klingt. Großen Anteil haben daran natürlich auch die namhaften Gastmusiker, wobei besonders Steve Unruh mit seinen vielfältigen Violine- und Klarinetten-Einsätzen und Dago Willms, der an akustischen und elektrischen Gitarren eine hervorragende Arbeit leistet, hervorstechen.
Auch wage ich zu behaupten, dass alle beinharten Fans von Jethro Tulls „Thick As A Brick“ an diesem Album einfach schon wegen des 22minütigen „Thin As A Skin“ nicht vorbeikommen. Eine dermaßen intensive Neuinterpretation dieses Ausnahme-Klassikers ist nicht nur beeindruckend, sondern aus meiner Sicht auch deutlich überzeugender als Ian Andersons zweiter und dritter Anlauf bei der TAAB-Fortsetzung.
Am Ende präsentiert uns der King Of Agogik mit seinem 2014er Werk ein progressives Angebot, an dem sich wohl mal wieder die Geister scheiden werden. Aber sind es nicht immer die Geister, die wir riefen, die am interessantesten und spannendsten sind, besonders wenn sich hinter ihnen so viel kriminelle musikalische Energie versteckt!?
Ein typisch königliches Album, weil es mal wieder den Agogik-Begriff (= Kunst der Veränderung des Tempos) sehr ernst nimmt und trotzdem jede Menge Sinn für Humor sowie Überraschendes hat.
Matti (Progarchives)
KING OF AGOGIK is a project led by Hans Jörg Schmitz, who’s primarily a drummer but plays also guitar, bass and keyboards. On this fifth album he’s accompanied by guitarist Dago Wilms, bassist Gary Farmer, Erik Vaxjö on Mellotron, Steve Unruh on flute & violin and several other skillful musicians. The whole 77-minute album is instrumental, and exhaustingly full of ideas in a not-too- serious manner. One comparison is the multinational collective CORVUS STONE.
The opener ‘Bronto’s Navel’ is muscular power rock. The first musical citation that I recognize comes at the seam of this track and the next one (a riff from ‘Owner of a Lonely Heart’), and the 12- minute rollercoaster ride ’11th Sense’ is basically a potpourri of (mostly prog / hard rock related?) little allusions. Or so I presume, for I don’t recognize all themes. The leaflet’s page for the track says “for amusement only”, and amusing it is. Schizoid perhaps, but so well done that it works. ‘Nomouglea’ is sheer beauty of both acoustically oriented, art music flavoured delicacy and more powerful melodic rock.
‘The Chasteness’, subtitled “Damsel’s Love and King’s Wrath”, keeps shifting quite restlessly between romantic, adventurous and other moods. One thing is becoming clear by now: you don’t get bored or sleepy with this album! Also for the sound it’s very eclectic, there are polished Neo Prog, retro-sounding Symphonic, biting Hard Rock, gliding Fusion and delicate Art Music elements on this full buffet table. Andrew Marshall (WILLOWGLASS) guests on wonderful ‘Sheol’. ‘Lick Me’ is an aggressive and slightly metallic rock piece, my least fave. The next track is an intelligent bass & drums study featuring Schmitz and Pantelis Petrakakis.
The nearly 23-minute ‘Thin As a Skin’ would almost on its own compete victoriously against an average prog release. This is full-blooded, complex prog rock to blow your mind. When Steve Unruh’s flute joins in, a certain classic group may enter the listener’s mind, but hold on… many other colourful sections to make MIKE OLDFIELD jealous follow each other, before quite exactly in the halfway it’s revealed why it has such title: here and there come direct citations from JETHRO TULL’s Thick As a Brick. Is this parody? I’d rather see it as an hommage, in addition of being totally impressive monumental prog epic.
On the brief closing track H. J. Schmitz plays all the instruments. Oh my, what an album. There are many moments that whisper “five stars” into my ears, but as it’s likely that the WOW! factor wears thinner with repeated listenings, four stars will do. Listen to this and be amused & amazed!
Thoralf Koß (Musikreviews)
Er ist immer wieder für nicht nur eine Überraschung gut – dieser HANS JÖRG SCHMITZ alias KING OF AGOGIK!
Diesmal sind es gleich 88 Überraschungen, die uns auf „Exlex Beats“ erwarten plus die eine ganz große Überraschung, verborgen hinter der Idee, ein 77 Minuten langes Album, das nach wie vor von leidenschaftlichen Schlagzeug-Einlagen in den verrücktesten Taktarten lebt, mit 88 unterschiedlichen Referenzen an Rock-Bands und Klassiker zu bestücken, deren Ursprung bei den „ganz Großen“ liegen, egal ob der Namen KING CRIMSON, ELP, JETHRO TULL, BEATLES oder DEBUSSY, GRIEG und STRAWINSKY heißen.
Mit einem deutlichen Augenzwinkern nennt der deutsche König der Trommelstöcke sein Album dann auch gleich in einer Kombination aus Latein und Englisch „Exlex Beats“ (Gesetzlose Rhythmen) und ergänzt: „Zu einem echten Gesetzlosen gehört, dass er stiehlt, also sind auf der Platte 88 Parts, welche nicht meinem geistigen Eigentum entsprungen sind. Es beginnt mit KING CRIMSON und endet mit den BEATLES.“
Selten habe ich mit so viel Freude vor einem Album gesessen, ihm angestrengt gelauscht und versucht, mich auf eine progressiv-klassische Entdeckungsreise zu begeben. Und wer da denkt, so eine CD muss doch wie ein wirres Durcheinander zusammengeschusterter Musik-Adaptionen klingen, der irrt. Denn gerade die hohe Kunst, einem Schlagzeug das verbindende Element, in dem sich die musikalischen Vorbilder die Hand reichen, zu überlassen, ist außergewöhnlich und grandios zugleich. Dadurch habe ich beispielsweise eins meiner absoluten Prog-Highlights – JETHRO TULLs „Thick As A Brick“ – noch nie mit solcher Begeisterung gehört wie auf „Exlex Beats“.
Schmitz selber stellt auch eindeutig klar, dass er diesmal „über 2 Jahre“ an der Fertigstellung der Platte gearbeitet hat, was daran lag, „dass ich mehr Wert auf die Komposition als auf spontane Interaktion gelegt habe. So manch wilder Drumpart musste einem auskomponierten Teil weichen … das braucht Zeit.“ Allerdings war der KING OF AGOGIK während dieser Zeit auch innerhalb anderer musikalischer Projekte sehr eifrig und hinterließ auf „The Dream Harbour“ von WILLOWGLASS sowie TRAUMHAUS‘ „Die andere Seite“ und dem Musea-Sampler „Decameron – Ten Days In 100 Novellas“ mit seiner Schlagfertigkeit bleibende Eindrücke. Den unmittelbarsten davon bekommen wir auf „The Chasteness“ zu hören. Der Song befindet sich auf besagtem Musea-Sampler und illustriert eine der Novellen, die von ihrem Inhalt her recht bieder aus- und neben der bekannten Falken-Novelle völlig durchfällt, was keinesfalls für die musikalische Gestaltung gilt, in der wir sogar eine spanische Gitarre zu hören bekommen.
Um auf „Exlex Beats“ die komplizierten Kompositionen umfassend zu verwirklichen, holte sich der Drum-Wizzard gleich noch namhafte Musiker mit in seine Schlagbude und bestückte diese neben den üblichen Prog-verdächtigen Keys, Gitarren und Bässen mit Flöten, Oboen und Violinen, wobei sehr intensiv STEVE UNRUH an den Blasinstrumenten einbezogen wird, der besonders im 22minutigen „Thin As A Skin“ einem IAN ANDERSON flötentechnisch in Nichts nachsteht!
Aber es gibt auch die ganz ruhigen Momente auf dem Album, in denen das Schlagzeug schweigt und die eine ganz besondere Ausstrahlung haben, wie beispielsweise die ersten drei Minuten von „Lick Me“, in denen DAGO WILMS sich der akustischen Gitarre im besten STEVE HACKETT-Style hingibt und einen besonders reizvollen Ruhepunkt setzt – ähnlich wie er es zuvor bereits bei „Nomouglea“ ausgiebig zelebrierte, da allerdings gemeinsam mit Flöte und Violine. Wer sich noch an den ersten GENESIS-Gitarristen ANTHONY PHILLIPS erinnert und dessen Solo-Werke zu schätzen weiß, wird an „Nomouglea“ seine wahre Freude haben. Genauso wie an „Sheol“, wo die spanische Gitarre jedoch von ANDREW MARSHALL gespielt wird und an die Stelle von Flöte und Violine diesmal akustischer Bass und Oboe treten.
„Exlex Beats“ sind in ihren ruhigen und lauten, eigenen und „geklauten“ Momenten mehr als eine Musik-Sünde wert.
FAZIT: Ein überraschendes, symphonisch progressives Rockalbum eines Trommlers, der seine unglaublichen Fähigkeiten am Schlagzeug geschickt in Verbindung mit breit instrumentiertem Prog, aber auch etwas Metal und Pop bringt sowie jede Menge Klassiker hinter seinen Kompositionen versteckt. „Exlex Beats“ ist kein bei seinen Vorbildern abgekupfertes Prog-Album geworden, sondern eine musikalische Wundertüte der besonderen Art!
Frank Bender (Ragazzi)
Bei dieser CD versuche ich so objektiv wie möglich zu sein, allerdings wird mir dies sehr schwer fallen, da ich ein großer Fan des King Of Agogik-Projekts bin. Zunächst einige Randnotizen: Bezüglich des Sounds konnte sich der Padrone der Schlag-auf-Schlag-Patronen, Hans Jörg Schmitz (Schalkzeug, Gitarre, Bass, Keyboards), abermals steigern: Sehr transluzent, fast schon transzendent schwingen sich die Noten durchs Geächz des S(ch)eins, quasi wie ne Eins. Die Kompositionen sind noch zwingender stringent – crotchet on a string – als dies bei den vier früheren Alben der Fall war und last but not liest gibt es für Freunde witziger Musik-Ratespiele satte 88 Gelegenheiten, ihrem Hobby zu fröhnen. („Such, Schlaui!“ King Crimson, Genesis, Yes, ELP, Jethro Tull, The Beatles, Asia, Europe, Van Halen, AC/DC, Strawinsky, Debussy, Grieg etc. – egal ist eben nicht immer achtundachtzig. Die meisten der Band-Zitate sollten für einen gestandenen Liebhaber des P-Rock nicht allzu schwer zu erraten sein, andernfalls besteht konkreter Anlass zum Erröten.) Der Meister der gesteigerten Schlagzahl holte sich für dieses Album wie jedesmal viele Spielgefährten, wobei deren Fährten sogar in ferne Länder führen: Schmitz cats sind diesmal Dago Wilms (Gitarre), Gary Farmer (Bass), Steve Unruh (Geige und Flöte), Michael Elzer (Chapman Stick), Michael Kreutz (Bass), Erik Vaxjö (Mellotron), Pantelis Petrakakis (Bass), Andrew Marshall (Gitarre und Keyboard), Arne Schäfer (Gitarre) und Peter Simon (Oboe). Auch abseits des Zitierens erinnern die samt und sonors instrumentalen Kompositionen, wie sollte es anders sein, an diverse Vorbilder wie z.B. Steve Vai, Dream Theater (ohne labbrigen Käse), Jethro Tull oder die Dixie Dregs. Pizza Quattro Stagioni ohne Pazza auf der Piazza. Das Stück „Nomouglea“ beispielwiese (eigentlich NO MOre UGLy EArs; der Arbeitstitel des Albums lautete zunächst „Ugly Ears“) ist zu Tönen geronnene Spiritualität und sollte am besten mit Kopfhörnern genossen werden. „11th Sense“ – mehr als 11 Minuten lang – bezieht sich, wie könnte es bei einem Metrisch-Verrückten anders sein, auf einen Elf-Achtel-Rhythmus, der von geballter Lebenskraft durchdrungen auch in anders getakteten Bahnen auf und ab hüpft. „Thin As A Skin“ – über 22 Minuten wechselnde rhythmische Eskapaden – ist eine Persiflage auf den dicken Backstein eines englischen Agrar-Pioniers, den dieser bei mir seit langem im Brett hat. Hans Jörg feuert aus allen Rohren Exlex Beasts, die schrecklich schön anzuhören sind – schimmernde Schwingungen, die elf-engl-eich in den Ohren zu tanzen beginnen und die sensuelle Wahrnehmung ganz ohne Dorgengebrauch deutlich erweitern; ohne Zweifel ist Herr Schmitz der König der eklektischen Beats und um es mit den Worten des Trommel-Chefs auszudrücken: „Arrived Without Travelling“. Das einzig Negative an der Scheibe ist die Tatsache, dass jetzt erst mal wieder Warten auf die nächste CD von King Of Agogik angesagt ist, aber das ist Jamme(r)n auf hohem Niewo.
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