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Da ist er wieder!!!!
Unser König aus Andernach, der seinen Drumstick einem Königszepter gleich erhebt und damit auf alles einschlägt, was nicht niet- und nagelfest ist, dafür aber statt Schmerzen wahrhaft beeindruckende Klänge erzeugt und ähnlich beeindruckende Namen wie Pearl, Saibian, Zidjian, Paiste usw. hat. Sogar sein geliebtes Zepter hat einen Namen: Vic Firth Stick.
„Ach, ein weiteres Trommelalbum!“, wird jetzt der Eine oder die Andere denken. Schluss und aus – da wird getrommelt und gedroschen, was das Zeug hergibt. Doch weit gefehlt, so einfach macht es sich unser verSCHMITZter Schlagzeuger schon lange nicht mehr. Was ART BLAKEY oder BILL COBHAM für den Jazz sind, ist eben HANS-JÖRG SCHMITZ, unser Andernacher Musik-König, für den Prog – und das ist bei dieser begnadeten Drum-Perfektion nicht die Bohne übertrieben. Die schmitzschen Prinzipien könnte man folgendermaßen definieren: „(M)ein progressives Album sollte vorrangig instrumental sein, muss ein Konzept haben und darf nicht eine einzige Minute lang in Langeweile ausarten, sondern muss den Hörer durch ein Wechselbad so etwa aller musikalischen Gefühle schicken, die es zwischen metallischer Härte, rhythmisch komplexen und extrem vertrackten Schlagzeugvariationen, verspielten Keyboard- und Gitarren-Einlagen sowie kurzen Entspannungsmomenten geben kann. Außerdem muss es anspruchsvoll verpackt sein und ein informatives Booklet enthalten.“
Eigentlich glaubte ich, dass unser leidenschaftlicher Schlagzeuger, der sich nunmehr zum Multiinstrumentalisten gemausert hat, bereits auf seinem Vorgänger „The Rhythmic Drawing Room“ diesen Grundsatz bis ins letzte ausgereizt hätte. Doch auf „From A To A“ geht er tatsächlich noch weiter bis an ungeahnte Grenzen, die sogar die persönlichsten Gefühle dieses Musikers ausloten und Menschen und Orte berücksichtigen, denen er in tiefer Liebe verbunden ist.
Das beginnt schon bei der Widmung für seinen 1991 verstorbenen Vater Hermann, setzt sich bei der Einbeziehung seines Sohnes in die Musik fort (PHILLIP SCHMITZ spielt auf mehreren Titeln die spanische Gitarre!) und endet mit der persönlichen Zeitreise durch seine Stadt Andernach, die konzeptionelle Grundlage für „From A(ntunnacum) To A(ndernach)“ ist. Doch es geht noch weiter. Erstmals kann man dieses Album nicht nur als eine Zeit- sondern auch eine musikalische Weltreise bezeichnen. Mit Hilfe des Internets holte sich SCHMITZ Musiker aus Schweden (ERIK VAXJÖ), Kanada (ALANDA SCAPES), England (GARY FAMER & RALPH CHAMBERS) sowie Amerika (WENDY HIRST) mit in seine Zeitmaschine, die sich auf ihrer Reise streng an die Andernacher Chronologie hält – vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Optisch werden dazu in dem umfangreichen 24-seitigen Booklet die entsprechenden Bilder nachgereicht.
Musikalisch ist dieses Album nach wie vor das eines Schlagzeugers, der seinem Instrument so etwa alles abverlangt, was menschenmöglich ist. Dazu gibt es immer wieder Bezüge, die mitunter sehr ernsthaft eine Verbindung zwischen GENESIS und DREAM THEATER herstellen oder voller Ironie eine genauso peinliche wie erfolgreiche Popnummer der 70er Jahre, das unvergessene „Popcorn“, auf die Schippe nehmen. Wer beispielsweise heutzutage die Verspieltheit von BEARDFISH mag, der wird bereits nach zwei Titeln von „From A To A“ total begeistert sein!
Oder aber der Song „The Early Bird And The Edible Dormouse“ beginnt wie YES-Gitarre trifft auf KING CRIMSON-Mellotron, um sich dann mit den „frühen Vögeln“ in ungeahnte Höhen zu erheben, die den stählernen Nachbauten mit ihrer Touristenschar an Bord auszuweichen versuchen. Filigranes trifft auf Bombastisches – und meistens siegt das Bombastische! Ein klein wenig wünscht man sich nach einer gewissen Zeit allerdings, dass sich dieses Ergebnis auch mal dreht. Etwas mehr durchatmen statt durchschlagen!
Bei „Free Water“ fühle ich mich als ehemals eingemauerter Ossi auch noch an die „gute alte“ (Gefängnis-)Zeit erinnert, in der wir auf unserer verzweifelten Suche nach östlichen Alternativen zu dem für uns unerreichbaren westlichen Pog-Rock solch großen Entdeckungen machten wie SBB und FERMATA. Meine Liebe zu beiden Bands ist nach wie vor ungebrochen – und lebt beim Hören der über 77 Album-Minuten immer wieder auf.
Aber auch Nachdenkliches darf nicht fehlen. In „Blue Tears“ geht es um die Synagoge, die einst in der Güntherstraße von Andernach stand und von den Nazis zerstört wurde. HANS-JÖRG SCHMITZ schrieb mir dazu: „Die Ruine lag jahrelang brach, bis eine regionaler Bauträger sich entschloss, darauf ein Wohnhaus zu bauen. Meine Eltern zogen dort ein und mein Bett stand genau auf Höhe des ehemaligen Altars. Direkt hinter dem Haus war ein Sandkasten, in dem ich mit den Freunden spielte und manchmal ‘Ausgrabungen’ machte. Ab 70 cm Tiefe fanden wir ‘Schätze’, kleine funkelnde Glasteile, die aussahen wie blaue Tränen … es waren Überbleibsel der Fenster und vom Mosaikbogen der Synagoge …“ Und so bindet SCHMITZ bei diesem Titel gleich noch den evangelischen Pfarrer GERNOT JONAS ein, der Auszüge aus einem jiddischen Gedicht liest. Dazu erhebt sich dann die Stimme von ALANDA SCAPES in himmlische Höhen.
Doch spätestens wenn die Trommelfeuerwerke und metallischen Gitarren auf Oboen und Flöten, Warnsirenen oder Vogelgezwitscher treffen, dann weiß man, dass Andernach nunmehr ein vielfarbiges, beeindruckendes Denkmal bekommen hat. Zwar keins, das man mal besucht und kurz die dazugehörige Gedenktafel liest, um es dann wieder zu vergessen. Nein, dieses Denkmal klingt – und ganz bestimmt nicht nur in Andernach!
FAZIT: Vielleicht erinnert sich ja noch jemand an die TV-Serie „PETE YORK’s Super Drumming“, die es nunmehr auch in mehreren Teilen auf DVD zu genießen gibt. Die tollsten Schlagzeuger gesellen sich dort, von BILL BRUFORD bis ZAK STARKEY. Sollte es jemals eine Fortsetzung davon geben, dann müsste sie definitiv mit einem Mann aus Andernach beginnen: HANS-JÖRG SCHMITZ!
Er hat wieder zugeschlagen – und wie! Ich bin noch ganz benommen von den Klängen, die ich eben zum x-ten Male vernahm. Hans Jörg Schmitz dürfte ob dieses sonoren Meisterwerks ziemlich verschmitzt aus dem Off grinsen, denn das muss ihm erst mal jemand nachmachen: Bereits die vierte Solo-Veröffentlichung und von Mal zu Mal eine deutliche, im Vorhinein nicht möglich erscheinende Steigerung. (Zum Glück muss ich keine numerischen Benotungen mittels Punkten abgeben, denn inzwischen reichen meine Finger und meine Zehen nicht mehr aus.) Auch für die Aufnahmen dieser Scheibe spielte er fast alle Instrumente im Alleingang ein, nur Filius Phillip Schmitz (Gitarre), Dirk Wilms (Gitarre), Michael Elzer (Chapman Stick), Michael Kreutz (Bass), Erik Vaxjö (Mellotron), Gary Farmer (Bass), Peter Simon (Flöten, Oboe), Ralph Simon (Saxophon) sowie Alanda Scapes, Wendy Hirst und Gernot Jonas (Stimme) assistierten ihm gelegentlich. Die Musik stellt mehr denn je zuvor einen kunterbunten und zugleich wohlklingenden akustischen Gemischtwarenladen mit den Abteilungen Dream Theater, Flower Kings, Mike Oldfield, Pink Floyd, Frank Zappa, King Crimson, Genesis und Jethro Tull dar. LECKER!!! Neben dem sophisticoated “the odd times are even” drumming fällt besonders das saustarke Spiel von Michael Elzer auf, das mich frappierend an die fantastischen Soloalben von Mick Karn erinnert. Ebenfalls wieder enthalten sind Zitate aus bekannten Musikstücken (Rate mal mit Schmitz im Tal…) Ach ja, für die Prog-Langnasen: Es gibt zwei Longtracks, einen fast zweiundzwanzigminütigen und einen fast zwölfminütigen, die zusammen das Alpha und das Omega bilden, will schreiben in Form von “From A…” und “…To A” quasi als Klammer des Albums dienen, ihrerseits wiederum eingerahmt vom Prolog “12 B.C.” (Gründungsjahr der Stadt durch die Römer unter dem Namen Antunnacum) und vom Epilog “NOW” (spricht in temporaler Hinsicht für sich selbst, denn now ist quasi zeitlos). Alle Stücke strotzen gerade so vor guten Einfällen – wo nimmt dieser Mann nur die vielen guten Ideen her??? Einmal gibt es sogar eine spoken word performance vermutlich in jiddischer Sprache zu hören. Sich völlig organisch entwickelnde Stücke mit teils liedhaften Strukturen entfalten tolle Spannungsbögen in wechselnden Stimmungen, die zueinander passen wie das über die Ohren gezogene Fell auf eine Trommel, damit letztere im Gehörgang gehörig um sich schlagen kann. Wenn die Musik über Kopfhörer in einem völlig abgedunkelten Raum goutiert wird, laufen vor dem inneren Auge unweigerlich Filmsequenzen ab und das nicht nur bei mit einem hohen Maß an Fantasie ausgestatteten Menschen. Also ran an die Scheibletten, denn Versuch macht kluch. Kein Zweifel: Hans Jörg ist als “Rock-Gog” der König des Landes Agog. Auch visuell wird wieder einiges geboten; das Artwork von Christian Fuhrmann ist ein echter Augenschmaus. Resümierend lässt sich also feststellen: “From A To A” ist das bis dato reifste Werk des Herrn Schmitz und ich bin schon jetzt gespannt, ob ihm mit der nächsten CD eine erneute Steigerung gelingen wird. Manchmal, ja manchmal frage ich mich allerdings ketzerisch, wie wohl manches Stück mit einem Sänger klingen würde, aber wir werden es wohl nie erfahren. Nun fehlt nur noch eins zu meinem Glück – das Projekt KING OF AGOGIK muss auf die Bühne. (Ragazzi)
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